Ernst und Bianca Lütje vor ihrem Hofladen.

"Direkt vom Feld auf den Tisch": Ein Gespräch mit Ernst Lütje

Über Erfolgsrezepte, Local Exotics und mehr hat Karina Neitzel mit Ernst Lütje, Kartoffelanbauer in Wasbüttel, gesprochen.

Seit Jahrzehnten vermarkten Sie unter anderem Kartoffeln über die von Ihnen, gemeinsam mit der Familie Gaus, gegründete Gaus-Lütje GbR. Was ist Ihr Erfolgsrezept?

Ernst Lütje:
Wir möchten ein auf den ersten Blick unscheinbares Produkt attraktiver machen. Wir arbeiten mit einem Rohprodukt – der Kartoffel. Ein Teil unserer Vermarktungsstrategie über die 1999 gegründete Marke „Gaus-Lütje Kartoffeln – vergiss die Nudel!“ ist unter anderem die Differenzierung. Wir bieten also neben regionalen Kartoffeln, auch regionale Zwiebeln der Sorte Braunschweiger Dunkelrote an und haben vor vier Jahren den Anbau von Süßkartoffeln gewagt. Über die Veredelung der Rohprodukte zu Chips schaffen wir ein regionales Produkt mit überregionaler Bedeutung. Unsere Kartoffeln vermarkten wir größtenteils über regionale EDEKA Märkte.
Die EDEKA vermarktet Produkte unter der Bezeichnung „regional“ innerhalb eines 30 km Radius. Zusätzlich möchten wir unsere Herkunft über die geschützte Herkunftsbezeichnung der Lüneburger Heidekartoffel g. g. A. definieren – das ist uns wichtig. Innerhalb des 30 km Radius vermarkten wir für die Region, außerhalb dieses Radius vermarkten wir aus der Region.
Zusätzlich definieren wir uns über die besondere Qualität und die Vielfalt der Kartoffelsorten. Zum Beispiel bauen wir neben den klassischen Sorten wie Belana und Linda, auch rotschalige Kartoffeln der Sorte Laura an. Wir nennen das unser Genießer-Sortiment.
Ein weiterer Baustein unserer Vermarktung über den LEH: Die ständige Verfügbarkeit unserer Produkte. Gegenüber den Märkten sind wir bezüglich der Lieferung absolut flexibel. Wir können 200 kg Kartoffeln bis zu zwei Mal die Woche liefern und können sehr bedarfsorientiert und marktindividuell auf die Nachfrage reagieren. Wir empfehlen jedoch, mit kleineren Mengen ab 50 kg anzufangen und bei guter Kundennachfrage sukzessive zu erhöhen, um der unnötigen Lebensmittelverschwendung in Folge von Qualitätsverlusten bei zu langer Lagerung unter schlechten Bedingungen im Markt entgegenzuwirken.
Seit 2017 bieten wir die Kartoffeln in Form der Losevermarktung an, nach dem schwedischen Vorbild, mit sogenannten Schütten. Die Kunden können sich in Papiertüten genau die Menge an Kartoffeln nehmen, die sie brauchen. Das Format kommt sowohl bei den Kunden als auch bei den Mitarbeitern im Markt gut an. Wie wir immer so schön sagen – es ist kinderleicht in der Handhabung.
Mittlerweile haben wir von Hannover bis Wolfsburg und von Goslar bis Wittingen gut 100 solcher Schütten installiert.
Vor zwei Jahren sind wir dann von Plastik- auf Lyocell-Kartoffelnetze aus Zellulose umgestiegen. Aus unserer Sicht ein folgerichtiger Schritt, um unseren Beitrag zur Nachhaltigkeit zu leisten. Aktuell haben die Kartoffelnetze leider den Charakter von einer Feinstrumpfhose. Sie sind also recht empfindlich und reißen schnell – aber das nehmen wir noch in Kauf, auch wenn wir natürlich an einer Verbesserung arbeiten.
Also langer Rede kurzer Sinn – so versuchen wir, ein zunächst unscheinbares Produkt innovativ zu vermarkten. Mit Erfolg.

Sie erwähnten bereits, dass Sie vor vier Jahren mit dem Anbau von Süßkartoffeln begonnen haben. Sie bedienen damit den Trend der Local Exotics. Welche Perspektive sehen Sie darin?

Ernst Lütje:
Vor vier Jahren haben wir auf Anfrage der EDEKA mit der Ährenwert GbR den Anbau der Batate gewagt. Ehrlich gesagt hatte ich die Süßkartoffel bis dahin überhaupt nicht auf dem Schirm, geschweige denn gegessen. Mit einem Hektar fingen wir also an, heute bauen wir vier Hektar an. In dieser Zeit haben wir bereits viel gelernt, müssen aber auch weiterhin noch viel lernen. Die Batate ist eine anspruchsvolle Nutzpflanze. Aktuell kostet der Anbau auf Grund der Handarbeit viele Stunden und muss daher noch deutlich stärker mechanisiert werden. Im Vergleich zu den anderen Süßkartoffeln im Markt haben wir eine ganz andere Kostenstruktur und können preislich mit den Angeboten im Lebensmittelhandel nicht mithalten. Aber das wollen wir auch nicht. Unsere Knollen sind nicht behandelt und wir nutzen keine Pflanzenschutzmittel. Alles reine Handarbeit. Also praktisch direkt vom Feld auf den Tisch. Das bedeutet wiederum, dass unsere Süßkartoffeln längst nicht so lange halten, wie die behandelte Konkurrenz aus Amerika, bestenfalls Portugal. Die können Sie teilweise monatelang in die Ecke legen und sind danach immer noch gut. Unsere dagegen verhalten sich eher wie klassisches Gemüse und haben somit nur eine begrenzte Haltbarkeit. Aber diesen Anspruch haben wir an unsere Rohprodukte auch nicht. Qualität und regionale Herkunft haben bei uns oberste Priorität.
Alle Knollen, die sich über den Lebensmittelhandel nicht verkaufen lassen, weil sie zum Beispiel zu klein, unförmig oder zum Teil gebrochen sind, vermarkten wir über die Marke „Gaus-Lütje Kartoffeln – vergiss' die Nudel!“ als Chips in den Geschmacksrichtungen Paprika und Meersalz. Somit haben wir auch für die schlecht vermarktbaren Knollen eine nachhaltige, innovative Verwendung gefunden.
Für die Zukunft planen wir weitere Local Exotics anzubauen. Mal sehen, wie gut uns das gelingt.
Für unsere Vermarktung über Local Exotics sehen wir also durchaus eine gute Perspektive.

Am 05.11.2021 hat die 11. Ausschreibung des Wettbewerbs Kulinarisches Niedersachsen 2022 begonnen. Haben Sie sich mit Ihren Produkten beworben?

Ernst Lütje:
Wir wollten schon immer mal dabei sein, weil wir den Wettbewerb so toll finden, aber wir hatten nie Produkte, mit denen wir uns hätten bewerben können. Daher freuen wir uns jetzt sehr, mit unseren Kartoffel- und Süßkartoffelchips ins Rennen zu gehen. Unsere Kartoffelchips haben wir in den Geschmacksrichtungen Meersalz, Paprika und Sauerrahm. Mir schmecken letztere am besten, meiner Frau die Meersalz-Variante, da komme der besondere Geschmack der Lüneburger Heidekartoffel am besten zur Geltung. Natürlich wäre es auch eine gute Möglichkeit, unsere Produkte noch bekannter zu machen. Wir planen aktuell einen Online-Shop. Eine Auszeichnung als Kulinarischer Botschafter Niedersachsen wäre da schon ein guter Start.

Steckbrief Ernst Lütje:

Ausbildung:
Landwirtschaftsmeister
Betriebe:
Gaus-Lütje GbR in Wasbüttel
Ährenwert GbR in Meine
Anbau:
86 ha Kartoffeln; 4 ha Süßkartoffeln
612 ha Getreide, Raps, Rüben, Mais, Zwiebeln

Leistung kompakt

    • Marktforschung
    • Netzwerkveranstaltung
    • Beratung zur Regionalvermarktung

        Ihre Ansprechpartner

        Werner Detmering
        Regionalmarketing I Förderung

        Tel.: 0511 34879-64
        Email: w.detmering(at)mg-niedersachsen.de