"Anfangen, seine eigenen Geschichten zu schreiben"

Nach ihrer Agrarweltreise hat Maja Mogwitz inmitten der Corona-Pandemie eine Beratungsagentur für Social-Media-Kommunikation in der Agrarbranche gegründet. Karina Neitzel hat die Gründerin interviewt.

Was ist der häufigste Grund, warum landwirtschaftliche Betriebe Deine Unterstützung suchen?
Da gibt es tatsächlich gleich drei Gründe: Zum einen fragen häufig diejenigen an, die in die Direktvermarktung gehen wollen, einen Hofladen und vielleicht auch mehrere Standorte haben und online darauf aufmerksam machen wollen. Also Punkt 1: Aufbau einer Kundschaft für die Direktvermarktung, indem man sich seine eigene Community aufbaut.
Punkt 2: Die Nachwuchssuche. Man möchte auf Ausbildungsplätze aufmerksam machen und die einzelnen Aufgabenbereiche der Ausbildung erklären. Das kann auch für ein ganz kleines landwirtschaftliches Unternehmen sein, die zum Beispiel eine Bürokraft suchen. Oder, ein Kunde von mir hat beispielsweise einen zweiten Verkaufsstandort eröffnet und brauchte dort jemanden und hat über einen Social Media Aufruf super schnell eine passende Fachkraft gefunden. Es ist einfach praktisch, wenn man seine eigene Reichweite für seine eigenen Themen hat.
Punkt 3: Man ist nicht kreativ genug und hat einfach keine Zeit. Hat aber die Chance und die Notwendigkeit erkannt und möchte den Kanal deswegen gerne in professionelle Hände geben.


Was sind die häufigsten Vorbehalte Deiner Kunden gegenüber Social Media?
Die meisten Kunden, die mich kontaktieren, tun dies ja bewusst, das heißt da sind tatsächlich eher weniger Vorbehalte. Wenn ich dann aber genauer erkläre, wie ich mir das vorstelle und sage, dass wir auch ein Gesicht zeigen müssen, wir wollen ja nahbar und transparent sein, dann haben sie Vorbehalte dahingehend, dass sie das als Selbstdarstellung empfinden. Das verwechseln viele mit Self Branding, also dem Umstand, aus sich oder dem Unternehmen eine Marke zu machen. Und das hat in meinen Augen nichts mit oberflächlicher Selbstdarstellung zu tun. Aber da sind Landwirte und Landwirtinnen sehr vorsichtig, weil sie in meiner Wahrnehmung ungern im Mittelpunkt stehen. Ich versuche diese Vorbehalte aus dem Weg zu räumen, indem ich vermittle, dass wir aus der „Wir-Perspektive“ kommunizieren wollen, was die Person auf dem Betrieb macht. Zwangsläufig müssen die Follower irgendwann sehen, wer „Wir“ ist. Die Menschen möchten wissen, wer die Schweine füttert, wer sich um die Freiland-Hühner kümmert, oder das Hühnermobil weiterschiebt. Letzten Endes ist es relativ schnell erklärt, warum es wichtig ist, das Gesicht dazu zu sehen: Digitale Kommunikation im Allgemeinen und Social Media im Besonderen lebt davon, in einen Austausch zu gehen. Beide Seiten möchten ja wissen, mit wem sie dort in Kontakt treten – und das geht am besten über authentische Bilder.

Welcher Effekt von Social Media überrascht die meisten Kunden?
Das ist eigentlich ganz lustig, denn die haben natürlich immer große Ziele: In nur einem Jahr am liebsten 1.000, 2.000, 20.000 Follower haben. Was sie dabei vergessen: Wenn man organisch wächst, so wie ich das mit meinen Kunden mache, also ohne Paid Content oder gesponserte Werbung, dann stehen ja auch wirklich richtige Menschen mit echtem Interesse hinter diesen Zahlen. 200 Follower sind vielleicht in dieser immer größer werdenden Social Media Welt nichts wildes, aber für einen landwirtschaftlichen Account schon. Das sind reale Menschen, die auf dem Dorf wohnen, ehrliches Interesse am Content haben und in letzter Konsequenz auch zum Hofladen gehen. Wenn 200 Follower zweimal die Woche kommen, dann sind das 400 Menschen, die in der Woche den Hofladen besuchen, das ist echt viel. Teilweise wird unterschätzt, wie groß das Interesse ist. Wenn besondere Angebote verkündet oder Kindergeburtstage auf dem Bauernhof angeboten werden, hat man schnell mal 300 Anmeldungen, denen man natürlich bei weitem nicht gerecht werden kann. Die erlangte Reichweite kann ich dann natürlich auch für ganz andere Belange nutzen, die einem am Herzen liegen. Ich hatte jetzt zum Beispiel einen Kunden, der auf seinem Hof sechs ukrainische Flüchtlinge aufgenommen hat und seine Reichweite nutze, darauf aufmerksam zu machen, an welchen Alltagsgegenständen es ihm aktuell noch fehlt. Der Landwirt hat auch Angebote von Menschen aus dem Dorf bekommen, die ukrainisch sprechen und ihn bei der Kommunikation unterstützt haben, da sind richtige Partnerschaften und Freundschaften im Dorf entstanden, das war richtig cool. Er wurde wirklich überrannt mit der Hilfe, die er von seiner Community bekommen hat. Das sind dann natürlich Dimensionen, mit denen man am Anfang gar nicht rechnet, die Social Media aber möglich machen.

Worin siehst Du das größte Potenzial in der Kommunikation land- und ernährungswirtschaftlicher Themen über Social-Media-Kanäle?
Man muss einfach anfangen, seine eigenen Geschichten zu schreiben. Selbst sein Potenzial in die Hand nehmen, damit man nicht ausschließlich als passiver Akteur in den Medien wahrgenommen wird. Ich sage häufig, wer seine Stimme online nicht erhebt, der verschenkt in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit sein Potenzial. Baut Euch Eure eigene Zielgruppe auf, Eure eigene Reichweite, für Eure eigenen Themen. Ob aus politischen Gründen, aus Gründen der Aufklärung oder aus Marketingzwecken, weil man was verkaufen will, ist letztendlich egal. Man muss in Social Media nicht nur aktiv sein, um schlechten Nachrichten etwas entgegenzusetzen, um dem Hass und der Kritik etwas entgegenzubringen oder Aufklärungsarbeit zu leisten. Das ist eine wahnsinnig belastende Bringschuld und ich finde gar nicht, dass das der Hauptgrund sein sollte, weshalb man in Social Media startet. Es gibt wie eben beschrieben so viele schöne Gründe, über sich und seinen Betrieb zu erzählen! Das hat den positiven Nebeneffekt, dass du gleichzeitig aufklärst. Aber eigentlich verfolgt das viel mehr noch den Selbstzweck, seine eigenen Geschichten zu erzählen.
Bei all den heiß diskutierten Themen ist es meiner Meinung nach wichtig zu sehen, wie viele unterschiedliche Meinungen es zu einem Thema gibt und wie vielschichtig man an ein Thema herangehen kann. Soziale Medien geben einem die Möglichkeit, in den Austausch zu gehen und bestenfalls fair und auf Augenhöhe zu diskutieren, auch mal andere Gedankengänge nachzuvollziehen und digital mit jemandem zu sprechen, mit dem man sonst gar nicht in den Austausch gekommen wäre, weil derjenige vielleicht in der Stadt sitzt oder eine ganz andere Lebensrealität hat. Das bietet ein großes Potenzial. 


Steckbrief:

Name: Maja Mogwitz
Ausbildung: Agrarwissenschaftlerin
Position: Gründerin von was.währe.wenn und Podcasthost von Jung & Landwirtin
Leidenschaften: podcasten, longboarden, bloggen, lange Hunde-/ Juri-Spaziergänge

 

 

Ihr Ansprechpartner