Ernte in der Krise

Es ist wie es ist: Für die Landwirtschaft als Sektor sind die Krisen der vergangenen Jahre auch Chancenbringer. Sie zwingen zu Innovationen und machen diese in breiteren gesellschaftlichen Kreisen sichtbar, sie tragen zur gesellschaftlichen Akzeptanz bei und sie sorgen nicht zuletzt dafür, dass wir Akteure uns wieder stärker auf wirklich relevante Fragen fokussieren.

Jahrzehntelang haftete der Landwirtschaft in Deutschland und ganz Europa das Image des Subventionsempfängers mit einer, gemessen an ihrer wahren Bedeutung, zu einflussreichen Lobby an, die zu jeder aus gesellschaftlicher Sicht notwendigen Anpassung gedrängt werden musste.

Die Corona-Pandemie und der irrsinnige Angriffskrieg Russlands in der Ukraine führen heute dazu, dass die gesellschaftliche Wertschätzung regionaler Landwirtschaft wieder steigt. Ein Imagewandel ist in vielen gesellschaftlichen Diskussionsprozessen zu beobachten. Resilienz, Autarkie, Preiswürdigkeit und verlässliche Lieferketten sind die Schlagworte, zu denen die europäische und niedersächsische Landwirtschaft punkten kann. Auch eine lebhafte Startup-Szene der Land- und Ernährungswirtschaft sorgt für gute Nachrichten, und bietet viele überraschende und mindestens diskussionswürdige Antworten auf Zukunftsfragen. Stichworte sind hier Klimawandel, Nachhaltigkeit, Ernährungssicherung. Damit sprechen diese Gründerinnen und Gründer auch ein junges branchenfremdes Publikum an. Für mich sind das gute Signale, die zeigen, dass aus einer schon immer systemrelevanten Branche nun auch wieder eine gesellschaftsrelevante Branche wird und der Beruf des Landwirts mit all seinen Facetten und in seiner Komplexität bei jungen, visionären Menschen wieder attraktiv wird.

Und was die aktuelle Ernte angeht: Dass Europa die Autarkie bei der Nahrungsmittelproduktion nie ganz aus den Augen verloren hat, macht sich heute bezahlt. Kaum etwas ist wichtiger als eine effiziente und effektive regionale Lebensmittelerzeugung, die nicht nur regional, sondern auch global einen Beitrag zur Krisenbewältigung leisten kann. Deren Stabilität sollte auch in Zukunft oberste Priorität haben.

Herzlichst

Ihr Christian Schmidt