„Ich sehe die aktuellen Entwicklungen auch als Chance“

Auf dem Traditionsbetrieb Cassenshof in Inzmühlen in der Nordheide werden neben Bio-Spargel und Kartoffeln auch Legehennen und Weihnachtsgänse vermarktet. Teresa-Marie Pelka verantwortet gemeinsam mit ihrer Mutter Marion Voß die Vermarktung der hofeigenen Produkte und betreiben gemeinsam den Hofladen. Karina Neitzel hat mit der Geschäftsführerin über die sinkende Nachfrage nach regionalen Produkten gesprochen und eine erste Bilanz der beendeten Spargelsaison gezogen. 

Die Entwicklungen der Lebensmittelpreise in der Folge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine führen laut Medienberichten zu einer sinkenden Nachfrage bei regionalen Produkten. Wie ist Ihre Wahrnehmung?

Unsere Kundenstruktur bestand vor Corona zu einem hohen Anteil aus Großverbrauchern, mit wiederum vielen Gastronomiebetrieben. Während der Pandemie sind wir verstärkt in den Lebensmitteleinzelhandel gegangen und haben uns da vor allem auf Bio-Supermärkte, wie z. B. Alnatura und Denns, konzentriert. Heute sind wir breiter aufgestellt als noch vor der Pandemie. Wir beliefern also Supermärkte, Wochenmärkte und unseren Hofladen, haben aber keine eigenen Verkaufsstände. Während der Corona-Lockdowns haben wir auch viele Anbieter von Abokisten im Raum Hamburg beliefert. Dieser Vermarktungsweg ist jetzt stark rückläufig. Die Menschen wollen wieder Essen gehen. Auch in den Supermärkten wurde der Spargel sehr verhalten gekauft. In einkommensschwächeren Stadtteilen wurde der Bio-Spargel teilweise sogar komplett aus dem Sortiment genommen. Das hat uns natürlich extrem verunsichert. Als Streckenlieferant haben wir mit vielen Märkten direkten Kontakt, die erzählten alle dasselbe: Spargel ist für viele Konsumenten ein Luxusprodukt, ohne dass sie es aber mit anderen Referenzprodukten vergleichen. Der tatsächliche Preis hat bei dieser emotionalen Wahrnehmung dann nur einen geringen Effekt. Die Menschen haben einfach das Gefühl „mein Geld ist knapp“ und deswegen kaufen sie den Spargel nicht mehr. Bei Bio-Erdbeeren und Bio-Eiern ist es ganz ähnlich. Bei Bioprodukten insgesamt haben wir einen Umsatzrückgang von 20-25 Prozent. Anders als bei den Bio-Eiern haben wir bei Freilandeiern keinen Nachfragerückgang verzeichnet. Meine These ist, diejenigen, die vor den aktuellen Entwicklungen auf den Märkten Bio gekauft haben, kaufen jetzt Freiland, und die, die vorher Freilandeier gekauft haben, kaufen jetzt Eier aus Bodenhaltung. Hier zeigt sich, wer wirklich aus Überzeugung Bio kauft.

Die Spargelsaison endete am 24. Juni. Wie fällt Ihre Bilanz für dieses „Edelgemüse“ aus?

Nach zwei fordernden Pandemiejahren sehnten wir uns nach einer normalen Saison. Doch 2022 war diesmal auf eine andere Art fordernd. Eigentlich kennt der Spargelpreis während der Saison nur eine Richtung und die geht nach unten. Wir haben aber tatsächlich mitten in der Saison die Preise nochmal angehoben, weil wir zwischenzeitlich unter den Produktionskosten verkauft haben, damit wir den Überbestand überhaupt loswurden. Wir sind von Anfang an sehr offen mit der Preisentwicklung umgegangen und haben sehr transparent kommuniziert.

Zum anderen mussten wir unsere Kunden in gewissem Maße erziehen. Besonders die Transportkosten sind in dieser Saison enorm gestiegen. Wir haben uns immer durch eine besonders schnelle Lieferfähigkeit ausgezeichnet. Wenn abends noch eine Bestellung kam, haben wir morgens um fünf Uhr schon liefern können. Wir liefern jeden Tag frisch. Auch Nachlieferungen haben wir angeboten, die waren aber natürlich recht teuer. Wir mussten für Kurzfristigkeit Transportkostenzuschläge nehmen. Das ist bei unseren Kunden Gott sei Dank auf viel Verständnis gestoßen. Grundsätzlich kann man sagen, dass 95% unserer Kunden sehr verständnisvoll waren und den Preis für gute Qualität gerne gezahlt haben. Dafür sind wir sehr dankbar. Eine gute Kundenbindung und Vertrauen in unsere Produkte und unsere Arbeit waren gerade in der Situation für uns ein Vorteil.

Wie schätzen Sie die Zukunft regionaler Produkte ein? 

Die Verbraucherinnen und Verbraucher werden sich auf der einen Seite an die höheren Preise gewöhnen müssen. Und wenn sich die Preise langsam einpendeln, wird es das „neue Normal“ sein. Auf den Betrieben wird das aus meiner Sicht dazu führen, dass insbesondere mit den gestiegenen Futtermittelpreisen schärfer gerechnet wird. Viele Legenhennenhalter überlegen aktuell sehr genau, ob sie nochmal einstallen, oder die Produktionspause etwas länger ziehen. In Folge reduziert sich die Produktion und das Angebot pendelt sich auf einem neuen Niveau ein.

Die Corona-Pandemie und aktuell auch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine führen aber auf der anderen Seite zu einem enormen Umdenken bei den Menschen. Lebensmittel bekommen mehr Wert und sie werden bewusster konsumiert. Es ist schon erschreckend, welche Schwelle überschritten werden muss, damit sich etwas verändert. Unsere Mitarbeitenden, die zum Teil im selben Dorf nebeneinander wohnen, bilden nun Fahrgemeinschaften!

Nicht nur wir Menschen, auch die gesamten europäischen und globalen Warenströme müssen sich neu sortieren und einpendeln. Ich sehe die aktuellen Entwicklungen auch als Chance. Wir können nicht immer mehr und mehr produzieren, wir müssen besser produzieren. Es gilt jetzt mehr denn je, zukunftsweisend zu produzieren. 


Steckbrief:

Name: Teresa-Marie Pelka
Ausbildung: Agrarwissenschaften
Position: Geschäftsführerin Cassens Hofladen Vermarktungs GbR
Leidenschaften: Ich liebe gutes Essen, tiefe Gespräche, ein Glas Wein und dabei die Gedanken gemeinsam galoppieren lassen

 

 

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