Das Wittinger Pilsner alias Knolle oder Wipi

Wenn Axel Schulz-Hausbrandt von der Knolle oder dem Wipi spricht, dann ist die Rede vom Wittinger Pilsner. Dem ältesten Produkt im Sortiment der familiengeführten Privatbrauerei Wittingen. Karina Neitzel hat mit dem Geschäftsführer über Marktentwicklungen, Markenstrategien und die Trends der Branche gesprochen.

Die Brauwirtschaft hat ein schweres Los gezogen: Fast zweieinhalb Jahre Corona-Pandemie, die erheblichen Auswirkungen des Angriffskrieges auf die Ukraine und der ohnehin sinkende Bierkonsum in Deutschland. Wie schätzen Sie die Entwicklung des Bier-Marktes ein?
Es ist so: Wir hatten sowieso einen hoch kompetitiven Markt. Die Brauwirtschaft verzeichnet seit Jahren schon eine sinkende Tendenz in Deutschland und die Corona-Pandemie hat wie ein Katalysator gewirkt. Das hat die Abschmelzung deutlich verstärkt. Wie sich der Markt jetzt entwickeln wird, ist schwer vorauszusagen.

Während der Pandemie brach uns der Fassbierumsatz komplett weg. Insbesondere als regionale Familienbrauerei, als die wir historisch stark in der Gastronomie verortet sind, war es eine schwere Zeit. Jetzt geht es langsam wieder los. Aber der Effekt wird gebremst durch den Ukraine-Krieg, durch die allgemeine Stimmung, die Menschen sind sehr verunsichert, was sie erwartet. Hinzu kommen die enormen Kostenexplosionen, die uns in der Brauwirtschaft von allen Seiten treffen. Ohne große Investitionen haben wir keine Chance, auf die gestiegenen Kosten zu reagieren. Deutschland war ein relativ großer Exporteur in den russischen Markt mit ungefähr zwei Millionen Hektolitern, die fallen von jetzt auf gleich weg und müssten sicherlich kompensiert werden.

Als eine der ältesten privat geführten Brauereien Deutschlands konkurrieren Sie mit den großen Playern auf dem Markt. Wie wollen sie als mittelständisches Unternehmen bei diesen Perspektiven auf dem Markt bestehen?
Wir haben uns vor fünf Jahren genau dieselbe Frage gestellt: Auch wir hatten mit sinkenden Absatzzahlen zu kämpfen und waren gerade am POS nur zweiter Sieger. Da mussten wir uns zwangsläufig überlegen, wie wir die Marke Wittinger wieder nach oben bekommen. Eines war für uns ganz klar, wir wollten weg von der industriellen Produktion, hin zu althergebrachten Brauverfahren, mit offenen Bottichen und langer, kalter Lagerung, um qualitativ nochmal einen Schritt nach vorne zu gehen. Das ist das A und O und die Erfolge sehen wir jetzt. Wir wachsen zum Beispiel im Flaschenbierbereich wieder gegen den Markt. Unser stärkstes Produkt im Sortiment ist aktuell tatsächlich unser ältestes Produkt, das Wittinger Pilsner in 30er 0,33 Kisten, liebevoll Knolle oder Wipi genannt – das Wachstum liegt im zweistelligen Prozentbereich. Ich hoffe der Trend hält an, es macht schon Spaß da zuzugucken. Ich bin mir sicher, dass wir mit unserem regionalen Ansatz und der hochwertigen Qualität gegen die Großen bestehen können.

Neben der Marke Wittinger gehen wir auch als Getränkedienstleister in den Markt, um die Effekte des schrumpfenden Bierabsatzes abfedern zu können und uns ein zweites Standbein aufzubauen. Wir sind sowohl im Bierbereich als auch in alkoholfreien Getränken EU Bio-zertifiziert und bauen das B2B-Angebot weiter aus. Beispielsweise produzieren wir Bio-Limonaden für ein Startup aus Berlin, brauen Sude für Craftbier Brauereien, die nicht so schnell wachsen können wie der Absatz und füllen die Biere auch ab. Wir können auch neue Getränkesorten herstellen, wie zum Beispiel das Hard Seltzer, ein Trend, der sich in Deutschland noch nicht so ganz durchgesetzt hat, aber ein großes Potential darstellt. Wir wollen hin zu qualitativ hochwertigen, komplexen Produkten. In dem Bereich ist ein Know-How erforderlich, das wir in den letzten Jahren aufgebaut haben. Das macht uns schwerer kopierbar. 

Craft- und alkoholfreie Biere liegen im Trend. Fast jede Brauerei führt Sie inzwischen im Sortiment. Welches Potenzial sehen Sie in diesen Trends langfristig, könnten sie ein Weg in die Zukunft gerade mittelständischer Brauereien sein?
Wir haben die Corona-Pandemie genutzt und eine Submarke etabliert: Heide Craft. Das werden keine großen Volumina, weil der Craftbier Markt volumenmäßig in Deutschland relativ klein ist. Aber für uns bedeutet es auch, dass wir aus den eng gesteckten Grenzen der Konsumbiere raus gehen und Rezepturen ausprobieren können, an denen unsere Braumeister wirklich Spaß haben. Das alles zahlt auf die Marke Wittinger ein, weil man mal zeigen kann, was man kann und nicht den Volumendruck hat. Wir haben jetzt zwei Sorten auf dem Markt, die gut gestartet sind. Das ist das Heide Craft Summer Session und der Beern Bänger.

Ein weiterer Trend tut sich im Bio-Bereich auf: Das Biobier spielt für uns strategisch und in der langfristigen Ausrichtung eine wichtige Rolle, weil das Thema Nachhaltigkeit ein Thema ist, das auch unsere Kunden beschäftigt. Die Einbeziehung der Umwelt und der Nachhaltigkeit in der Mitte unserer Unternehmensstrategie ist bei uns sehr wichtig. Strategisch soll das Biobier mal unser Zugpferd werden. Es ist eine wachsende Nische, in der wir unsere Zukunft sehen.

Steckbrief:

Name: Axel Schulz-Hausbrandt

Ausbildung: Diplom Kaufmann

Position: Geschäftsführer Privatbrauerei Wittingen und Privatbrauerei Herrenhausen

Leidenschaften: Bier, Reisen, Familie und Freunde

 

 

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