
Agri-PV: Ein Zukunftsmodell?
Jonas Böhm promoviert am Thünen-Institut für Betriebswirtschaft zum Thema "PV-Freiflächenanlagen in der Landwirtschaft". Karina Neitzel sprach mit ihm über die Bedeutung der Agri-PV und aktuelle Herausforderungen in der Förderung.
Herr Böhm, können Sie Ihr wissenschaftliches Projekt einmal kurz vorstellen?
Mein Projekt „PV-Freiflächenanlagen in der Landwirtschaft“ wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft initiiert und hat eine Projektlaufzeit von Mitte 2020 bis Anfang 2025. Das Projekt beschäftigt sich mit den Auswirkungen von Photovoltaik-Freiflächenanlagen auf landwirtschaftliche Betriebe. Dabei werden neben herkömmlichen PV-Freiflächenanlagen auch sogenannte Agri-PV Anlagen betrachtet. Diese kombinierte Nutzungsform ermöglicht die parallele Nutzung der Fläche für die solare Stromerzeugung und eine intensive landwirtschaftliche Produktion. Innerhalb des Projektes habe ich zuerst den Status Quo von PV-Freiflächenanlagen in Deutschland ermittelt. Also wo stehen wie viele Anlagen auf welchen Flächen. Im zweiten Schritt habe ich die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Wirtschaftlichkeit von PV-Freiflächenanlagen erarbeitet. In den nächsten Jahren werde ich mich intensiv mit dem Thema „Agri-PV“ beschäftigen. Dabei stehen vor allem betriebswirtschaftliche Fragestellungen im Forschungsschwerpunkt.
PV-Freiflächen können zu erheblicher Nutzungskonkurrenz mit wertvollen landwirtschaftlichen Flächen führen. Über welche Anteile sprechen wir hier und welche Rolle spielt hier die Agri-PV?
Aktuell stehen PV-Freiflächenanlagen auf 0,1 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Deutschland. Vergleicht man diese Zahlen mit der Fläche für die Biogaserzeugung (9,4 %), kann deutschlandweit nicht von einer ausgeprägten Nutzungskonkurrenz für die Nahrungsmittelproduktion gesprochen werden. Meine Untersuchung hat aber auch gezeigt, dass in einzelnen Landkreisen der Anteil schon über > 0,5% liegt, was auf regionale Nutzungskonkurrenzen schließen lässt. Aktuell werden sehr viele Flächen für die Errichtung neuer PV-Freiflächenanlagen angefragt, sodass sich die Konkurrenzsituation mit der zukünftigen Entwicklung verschärfen kann.
Die Agri-PV spielt deutschlandweit aktuell nur eine sehr geringe Rolle. In Deutschland gibt es bisher nur sehr wenige Anlagen, bei denen es sich zumeist um Forschungs- und Pilotanlagen handelt. Es werden verschiedenste Agri-PV-Konzepte diskutiert. Die Agri-PV bietet den großen Vorteil, dass bei der gleichen erzeugten Strommenge weiterhin 70 - 87 % der Fläche landwirtschaftlich genutzt werden können. Dadurch geht der Landwirtschaft weniger Fläche verloren, sodass die Nutzungskonkurrenz entschärft wird. Für den Ackerbau scheint aus wirtschaftlicher Perspektive das Konzept mit vertikal aufgeständerten Modulen am sinnvollsten zu sein. Hier kann zwischen den Modulreihen weiterhin Landwirtschaft betrieben werden.
Welche Voraussetzungen werden benötigt, um Agri-PV Anlagen großflächiger einzusetzen und den Flächenkonflikt somit zu reduzieren?
Sehr wichtig ist die rechtliche Unterscheidung zwischen der Anlagenfläche, nämlich einer visuell beeinflussten Fläche und meist umzäunt und der Fläche, die tatsächlich der Landwirtschaft nicht mehr zur Verfügung steht. Aktuell werden Agri-PV Anlagen mit herkömmlichen PV-Freiflächenanlagen rechtlich gleichgesetzt, sodass nicht zwischen diesen Flächen unterschieden wird. Somit werden die angesprochenen 70 - 87 % Fläche die weiterhin landwirtschaftlich genutzt werden können auch als „Flächenverlust“ deklariert.
Außerdem ist die Frage der Abgrenzung zwischen Agri-PV und herkömmlichen PV-Freiflächenanlagen zu klären. Schafshaltung soll unter den PV-Modulen zum Beispiel nicht als Agri-PV Anlage gelten. Einen möglichen Ansatz zur Abgrenzung und Definition bietet bisher eine bestimmt Vornorm (Din Spec 91434). Neben installationstechnischen Eigenschaften müssen demnach auch mindestens 66 % des Referenzertrages erreicht werden. Das bedeutet, dass das Risiko eine Förderung zu erhalten vom Anlagenbetreiber getragen werden muss, aber von der Landwirtschaft beeinflusst wird. Diese Diskrepanz sorgt letztendlich dafür, dass eine Fremdkapitalfinanzierung erschwert wird.
Agri-PV »verbraucht« 70 – 87 % weniger landwirtschaftliche Fläche als normale Freiflächenanlagen. Welche Voraussetzungen braucht es, damit die Agri-PV die Freiflächenanlagen ablösen?
Aktuell fehlt eine klare und einfach zu kontrollierende rechtliche Abgrenzung, welche aktuell neben der Genehmigung bei örtlichen Behörden als auch bei Kapitalgeberinnen und Kapitalgebern zu Hemmungen führt. Zudem besteht noch ein sehr großer Forschungsbedarf, um möglichst optimierte Konzepte umzusetzen.
Das neue EEG 2023 bietet einen neuen Ansatz, wonach Agri-PV als eigene Kategorie gefördert werden kann. Insbesondere für die statistische Erfassung und Genehmigungsfähigkeit in den Bebauungsplänen auf kommunaler Ebene ist aber die genannte Unterscheidung relevant, dass nicht die gesamte Anlagenfläche als Industrie und Gewerbefläche deklariert wird.
Ob die Agri-PV herkömmliche PV-Freiflächenanlagen wirklich ablösen, hängt stark von der politischen Förderung und Rahmenbedingungen ab. Das liegt daran, dass die Wirtschaftlichkeit auf die Anlagenfläche gesehen von PV-Freiflächenanlagen deutlich höher ist als von Agri-PV. Da die zugelassene Fläche aktuell für den Ausbau begrenzend wirkt, werden die Investoren die Anlagen realisieren, welche die höchste Wirtschaftlichkeit der Fläche aufweisen.
Es gibt unterschiedliche Agri-PV Anlagen, abhängig von der landwirtschaftlichen Nutzung. Wie sieht für dich eine zukunftsfähige Landwirtschaft aus? Und in Folge dessen: Welche Agri-PV Anlage passt am besten ins System?
Wie eine zukunftsfähige Landwirtschaft in Gänze aussehen kann, wurde intensiv von der Zukunftskommission Landwirtschaft diskutiert. In Bezug zu PV-Freiflächenanlagen sehe ich eine Kombination aus herkömmlichen PV-Freiflächenanlagen inklusive Biodiversitätsförderung (Biodiv-PV) sowie verschiedenen Agri-PV Konzepten als zukunftsfähig an. Die hoch aufgeständerten Systeme können sich insbesondere bei schattentoleranten Kulturen mit hohem Schutzbedarf durchsetzen, wo aktuell schon Hagelschutznetze oder Schutzfolien verwendet werden. Beispiel: Himbeeranbau. Das vertikale Konzept oder auch nachgeführte Anlagen können sich aus aktueller Perspektive im Ackerbau durchsetzen. Hier sind die Stromgestehungskosten zum Teil schon ähnlich der von PV-Freiflächenanlagen.
Siehe auch
Zu dem Projekt:
Thünen-Institut für Betriebswirtschaft
Zu den Veröffentlichungen:
Status Quo von PV-Freiflächenanlagen in Deutschland: https://doi.org/10.1007/s12398-022-00325-4
Rahmenbedingungen und die Wirtschaftlichkeit von PV-Freiflächenanlagen: https://doi.org/10.12767/buel.v100i2.421