Sarah Dhem, Bild: Timo Lutz

Fleisch und Wurst werden nicht vom Tisch verschwinden

Fleisch, für die einen wertvollstes Lebensmittel, für die anderen nur „Klimakiller“, für Niedersachsen eines der wichtigsten Erzeugnisse der Ernährungswirtschaft, das Arbeitsplätze und Einkommen in Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie sichert. Wir haben Sarah Dhem, Fleischermeisterin und Präsidentin des Bundesverbandes Deutscher Wurst- und Schinkenproduzenten aus Lastrup, gefragt, wie sie die Zukunft der Fleischwirtschaft sieht.

Werden Wurst und Schinken 2040 noch zur „Mitte der Gesellschaft“ gehören, wie Sie es als frisch gewählte Präsidentin des Bundesverbandes Deutscher Wurst- und Schinkenproduzenten im Dezember 2021 formuliert haben?
Ja, definitiv. Wurst und Schinken werden auch zukünftig zur Mitte der Gesellschaft gehören, wie sie es seit Jahrhunderten als wertvolles Kulturgut tun. Ich halte es allerdings gleichzeitig für sehr wahrscheinlich, dass in Deutschland mittelfristig wieder weniger Fleisch erzeugt wird und dieses dann auch etwas teurer ist. Deshalb ist es zwingend notwendig, dass sich alle Stufen in der Wertschöpfungskette kurzfristig konsequent an den geänderten gesellschaftlichen Ansprüchen ausrichten und die Politik hierfür praktikable, verlässliche und langfristige Leitplanken schafft.  Die Ausrichtung der landwirtschaftlichen Erzeugung und eine gesunde, ausgewogene Ernährung und Lebensweise unserer Gesellschaft stehen auf der politischen Agenda aller Parteien ganz weit oben. Dabei ist es aber notwendig, dass in der Diskussion unsere gesamte bunte Gesellschaft im Blick bleibt, nicht nur einige kleine Gesellschaftsgruppen. Wurst und Schinken ermöglichen eine nachhaltige Verarbeitung des ganzen Tieres und versprechen neben einer ausgewogenen Ernährung vor allem Genuss. Auch bei sich ändernden Ernährungsgewohnheiten werden sie einen festen Platz auf den deutschen Esstischen behalten.
Was ist das stärkste Argument dafür, Fleisch auch in Zukunft noch zu essen?
Fleisch bietet neben positiven ernährungsphysiologischen Eigenschaften einen unnachahmlichen Genuss, der bislang trotz aller Versuche noch nicht ersetzt werden konnte. Die Alternativen sind zwar besser geworden, sie fristen aber trotz aller Werbeanstrengungen nach wie vor ein Leben in der Nische. Wenn wir auf den Hype schauen, der in den zurückliegenden Jahren rund um das Thema Grillen entstanden ist, entsteht ein deutliches Bild. Es muss uns allerdings gelingen, den Menschen die hohe Wertigkeit von Fleisch und Fleischerzeugnissen deutlich besser zu vermitteln als bisher. Dies fällt angesichts der Realität des Angebotes bezüglich Menge und Preis nicht immer leicht. Politische Kreuzzüge gegen vermeintliche Billigpreise sind zwar gut gemeint, gehen aber an der Realität des Marktes völlig vorbei.
Im Übrigen gibt es ohne Tierhaltung keine funktionierende Kreislaufwirtschaft in der Landwirtschaft und ohne eine Verarbeitung des gesamten Tieres keine echte Nachhaltigkeit. Auch dieses Argument ist neben dem Genusswert absolut beachtenswert.
In aktuellen Studien wird schon das baldige Ende der Fleischerzeugung am lebenden Tier prognostiziert. 2040 sollen laut einer AT-Kearny-Studie nur noch 40 Prozent der konsumierten Fleischprodukte von Tieren stammen. Wurst und Schinken aus dem Bioreaktor – sind das eher beängstigende oder ermutigende Aussichten für die mittelständische Fleischwarenindustrie und die regionale Landwirtschaft?
Die Entwicklung von Fleischersatz, die von vielen wohlwollenden Studien begleitet wird, ist in erster Linie mit Blick auf die Kurse der weltweiten Börsen spannend. Ich persönlich sehe hier sicherlich einen zukünftigen Markt, aber ich bin nicht davon überzeugt, dass wir in Westeuropa bald aus voller Überzeugung Fleisch aus dem 3D-Drucker, dem Bioreaktor oder aus der Petrischale essen werden – oder essen wollen. Wichtig für uns ist nun, dass wir alle gemeinsam – von der landwirtschaftlichen Erzeugung bis hin zum Lebensmitteleinzelhandel – bestehende Schwachstellen abbauen und die, mit immerhin mehr als 90 Prozent, deutliche Mehrheit der Menschen bestätigen, die nicht auf Bratwurst, Steak oder Schinken verzichten möchten, die auf natürlichem Weg und nicht im Labor entstanden sind. Es gibt neuere Studien zur Wertigkeit der Eiweiße aus künstlich erzeugtem Fleisch. Diese sind für uns als Wurst- und Schinkenproduzenten, die Fleischindustrie und für die regionale Landwirtschaft sehr ermutigend.

Steckbrief Sarah Dhem

Name: Sarah Dhem
Ausbildung: Dipl. Kauffrau, Fleischermeisterin
Position: Präsidentin des Bundesverbandes Deutscher Wurst- und Schinkenproduzenten e. V., Geschäftsführerin der Kalieber GmbH, Werner Schulte GmbH & Co. KG
Lastruper Wurstwaren, Lastrup

 

 

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