
Vielfalt an Proteinquellen für jeden Bedarf und Geschmack
Dr. Alexander Stephan ist nicht nur Fleischermeister, sondern auch promovierter Lebensmittelchemiker. Seit Jahresbeginn ist er Teil des Teams von The Plantly Butchers (TPB) und übernimmt seitdem gemeinsam mit Sven Wieken die Geschäftsführung der pflanzenbasierten Unternehmenssäule der InFamily Foods–Gruppe. Damit verbindet er wertvolles Know–how aus beiden Welten: der Herstellung von Lebensmitteln aus tierischen sowie alternativen Proteinen. Karina Neitzel hat mit ihm gesprochen.
Wie kommt es, dass sich ein Fleischermeister mit pflanzenbasierten Fleischersatzprodukten auseinandersetzt?
Ich bin Fleischermeister in elfter Generation. Dieses Handwerk besteht in meiner Familie schon seit dem 15. Jahrhundert. Dennoch habe ich nach der Ausbildung Lebensmittelchemie und Toxikologie studiert und wollte diese beiden großartigen Berufe zusammenzubringen. Dabei habe ich gemerkt, dass das Thema Textur-Verständnis schon immer mein Steckenpferd war. Diese Auseinandersetzung mit der Fleischbeschaffenheit und die Anwendung auf die Herstellung pflanzlicher Alternativen begleiten mich schon lange.
Die Fläche für den Anbau von Eiweißpflanzen liegt in Deutschland im niedrigen zweistelligen Prozentbereich. Der Bedarf liegt deutlich höher. Was ist der Hauptrohstoff Ihrer "Billie Green"-Produkte und woher kommt er?
Bei unseren „Billie Green“-Produkten verwenden wir zurzeit Weizenproteine, die wir aus Deutschland und angrenzenden Ländern beziehen. Das ist uns sehr wichtig und hier kommen wir wieder zurück zum Textur-Verständnis: Wir arbeiten bei The Plantly Butchers mit einem patentierten Fermentationsverfahren, wodurch wir eine besondere Konsistenz und Bissfestigkeit erreichen, die wir von einer animalisch basierten Salami kennen. Das gepaart mit optimalen Produktionsbedingungen und besten Rohstoffen ermöglicht uns zudem, Produkte herzustellen, bei denen wir weitestgehend ohne Zusatzstoffe auskommen, ohne Abstriche beim Geschmack zu machen. Bei den ersten fünf Produkten konnten wir sogar ganz auf Zusatzstoffe verzichten. Zudem liegt der Proteingehalt der „Billie Green“-Produkte zwischen 33 und 36 Prozent und damit deutlich höher als bei den meisten Wettbewerbern und häufig sogar dem von traditionellen Wurstprodukten. Unser Ziel ist es, die Entwicklung von alternativen Proteinen in Deutschland mitzugestalten. Hier sind wir mit regionalen Landwirten im engen Austausch und schauen gemeinsam, welche Potenziale in anderen Rohstoffen stecken, die ganz im Sinne der Nachhaltigkeit und Unterstützung der Landwirtschaft bei uns in Deutschland angebaut werden können. In Zukunft möchten wir uns beispielsweise noch intensiver mit der Erbse als Proteinlieferantin auseinandersetzen.
Wie relevant ist die Erbse heute bereits für Sie?
Für mich ist Funktionalität immer etwas unglaublich Wichtiges. Ein Beispiel: Sie haben ein Hühnereiweiß. Dieses Eiweiß kochen Sie und es wird fest. Diese Funktionalität gibt es so bisher bei pflanzlichen Proteinen nicht. Es gibt ein einziges Eiweiß, welches das annähernd kann und das ist das Kartoffelprotein. Allerdings liegt der Proteinanteil in der Kartoffel lediglich bei ca. 1-2 Prozent. Wir sind also immer auf der Suche nach etwas, das wir verwenden können, um einen bioökonomischen Kreislauf herzustellen. Da ist nicht nur die Erbse interessant, sondern eventuell auch die Lupine, oder die Ackerbohne. Wichtig finde ich, ganz grundlegend darüber nachzudenken, was passiert mit den Kohlenhydraten bzw. mit der Stärke, die ebenfalls in den Früchten enthalten ist? Was passiert zum Beispiel mit den Erbsenschoten? Dazu gehören meines Erachtens Fermentations-Konzepte. Bei all diesen Debatten braucht es nicht nur uns als Industrie, sondern Wissenschaftler, Experten, Landwirte, Gesetzgeber. - es muss ein funktionierendes Team sein.
Der klassische Handwerksberuf des Fleischers scheint auszusterben. Immer mehr Schlachter in den ländlichen Regionen schließen. Welche Möglichkeiten haben Fleischer, Teil der Diskussion und der Transformation zu bleiben?
Ich glaube nicht, dass wir morgen aufhören, Fleisch zu essen. Dennoch spüren wir den Change sehr deutlich. Der Fleischer ist Experte, wenn es um Proteinstrukturen geht, er kennt die Technologie, er hat eigentlich alles Nötige parat, um vegane Produkte herzustellen. Jetzt muss er sich entscheiden, was er in Zukunft machen will. Es geht also vielmehr um eine Diversifizierung unserer Proteinquellen. So können sich Lebensmittel auf pflanzlicher und tierischer Proteinbasis nachhaltig ergänzen. Um Teil der Transformation zu sein, ist vor allem Innovationsgeist gefragt. Das gilt sowohl für die Entwicklung innovativer Fleischalternativen, wie wir sie mit „Billie Green“ anstreben, aber auch für die Offenheit der Fleischer, beide Produktkategorien (tierische und pflanzliche) anzubieten und Verbrauchern so die Wahlfreiheit zu geben. Genau diesen ganzheitlichen Ansatz verfolgt auch unsere Holding InFamily Foods getreu ihrer Mission „Best Proteins For You“.
Wagen Sie einen Blick in die Zukunft: Wie sieht die Fleischtheke zukünftig aus?
Ich hoffe, die Ladentheke sieht genauso vielfältig aus, wie sie heute ist. Wir hatten vor Jahren Diskussionen beim Frischgeflügel. Rind- und Schweinefleisch durfte schon immer nebeneinander liegen, aber wegen der Mikrobiologie musste Frischgeflügel eine Trennscheibe bekommen. Jetzt gehen wir noch einen Schritt weiter, haben wieder eine Erweiterung und bereichern das bestehende Angebot um Fleischalternativen aus Pflanzenprotein, aber wollen natürlich keinen Kontakt zu Fleisch im Allgemeinen. Wenn wir dies hinbekommen, dann haben wir es geschafft: Eine Vielfalt an Proteinquellen für jeden Bedarf und Geschmack, zentral an einem Ort. Wenn alles gut läuft, und das hoffe ich sehr, erhalten wir dadurch die Vielfalt, die gerade unseren spannenden Lebensmittelsektor in Deutschland ausmacht.
Steckbrief:
Name: Dr. Alexander Stephan
Ausbildung: Fleischermeister, Lebensmittelchemiker
Position: Mitglied der Geschäftsführung bei The Plantly Butchers
Leidenschaften:
- Teamplaying
- Mit Jugendlichen arbeiten besonders in Forschung und Lehre
- Texturelle Eigenschaften von neuen Ingredients in neue leckere Produkte übersetzen
- Fermentation (Mein Wein ist beispielsweise nicht schlecht…)
- Forschung/ Wissenschaft in Wirtschaft übersetzen und damit einen Impact an unserem weltweiten Change leisten (Change with Innovation….)
Leistung kompakt
- Verkaufen und Märkte verstehen
- Managementwissen entwickeln